Südkurier, 06.11.12
Friedhelm Schulz
Schwarzwald-Baar-Kreis „Sandy“ kann den Jazz nicht stoppen
„Sandy“, der fürchterliche Hurrikan, hätte um ein Haar auch das Programm im Villinger Jazzkeller durcheinandergewirbelt. Nur mit viel Glück erreichten die New Yorker Musiker, die Samstag in der Webergasse auf der Bühne standen, noch einen Flug nach Europa.
Und abenteuerlich war es, in einer Stadt, in der ein Großteil der Infrastruktur zusammengebrochen war, zum Flugplatz zu kommen, wie Bassist Boris Kozlov, der noch immer die Erlebnisse der letzten Tage verarbeiten musste, dem Publikum berichtete. Immerhin hatten es die Jazzer geschafft und die Tour kann nun wie geplant laufen.
Die Band, die da im Villinger Jazzkeller zu hören war, spiegelt ohnehin den New Yorker Schmelztiegel treffend wider, denn es kommen hier Musiker aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen. Der weiße Pianist David Kikoski und der schwarze Drummer Donald Edwards sind „echte“ Amerikaner, sie haben von Dave Holland bis Freddie Hubbard mit vielen großen Musikern zusammengespielt.
Aus Russland kommend, aber schon 20 Jahre in den USA lebend, gehören der Trompeter Alex Sipiagin und Bassist Boris Kozlov dazu. Und der Freiburger Tenorsaxofonist Jürgen Hagenlocher zählt zu den europäischen Jazzern, die immer wieder in New York nach musikalischen Impulsen suchen. Er fand hier auch die vier Mitspieler, mit denen er zur Zeit unterwegs ist und in Villingen gastierte.
Hagenlocher ist ein technisch versierter Tenorsaxofonist, der von Coleman Hawkins bis zu John Coltrane alle Größen an diesem Instrument verinnerlicht hat, aber dennoch mit viel Spielfreude nach seinem eigenen Ausdruck sucht. Seine Stücke sind an frischem Hardbop angelehnt, bieten zudem viel Raum für Improvisationen.
Die werden vor allem vom Pianisten David Kikoski genutzt, der am Fender Rhodes und am Klavier ganze Kaskaden von Klängen zaubert und seine Virtuosität offenbar kaum zügeln kann. Als markanter Begleiter und Geschichtenerzähler am Bass erweist sich David Kozlov, der in New York das Instrument des großen Charles Mingus spielen darf, und als ruhender Pol des Quintetts wirkt Drummer Donald Edwards mit. Vielleicht nicht seinen besten Tag hatte Trompeter Alex Sipiagin, dessen Können nur gelegentlich richtig aufblitzte und der eher zurückhaltend agierte.
Insgesamt spielte die internationale Formation einen frischen, modernen Jazz und ließ die Zuhörer in der Webergasse erahnen, welches Kreativpotenzial ständig in New York zu erleben ist, wenn da nicht gerade „Sandy“ wütet.