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Jazzthing 09/09

Reinhard Köchl

Bewahren und Erneuern, Tradition und Moderne, best of both sides, Fisch, aber auch ein bisschen Fleisch: Das Regierungsprogramm der Großen Koalition ließe sich kaum anders beschreiben. Im Jazz kommen derartige Symbiosen eher selten vor. Entweder frönen Musiker bedingungslos der Retrokiste oder aber sie wollen auf Teufel komm raus ein ganzes Genre neu erfinden. „Eigentlich bin ich ja sehr in der Tradition verankert“, tastet sich Jürgen Hagenlocher an eine profunde Selbstdiagnose heran. „Saxofonisten wie John Coltrane, Dexter Gordon oder Charlie Parker beeinflussen mich, seit ich spiele.“ Wichtig sei ihm aber, Spannung auf melodi- scher, rhythmischer und harmonischer Ebene zu erzeugen. Der 41-Jährige verzichtet beim Komponieren auf die klassische A-A-B-A-Form, die üblichen 32 Takte müssen bei ihm nicht zwingend vorkommen, ebenso wie auf türöffnende Standards. „Ich weiß, das klingt alles ein bisschen wie ein Widerspruch“, entschuldigt sich der in Freiburg lebende Tenorsaxofonist. „Aber im Prinzip liegt doch allem, was mit Saxofon zu tun hat, Coltrane oder Bird zugrunde. Es geht nur darum, es irgendwie weiterzuführen.“ Das tut Hagenlocher mit seiner aktuellen CD „Confusiuon“ (Mons/SunnyMoon), der siebenten in 24 Jahren als Jazzmusiker, höchst engagiert. Wobei der Name nicht automatisch darauf schließen lässt, dass der Zusammenprall von Reaktion und Innovation gleich
zu einem heillosen Durcheinander führen muss. „Ich habe versucht, das Titelstück sehr kompliziert zu struktu- rieren. Alle zwei, drei takte wechselt es zwischen einem Vier- und einem Dreivierteltakt hin und her. Mir geht es dabei um die Verwirrung in der Welt, die sich ständig verändernden Umstände, die es den Menschen einfach schwer machen, eine Linie zu finden.“
Zumindest für seine Musik trifft dies keineswegs zu. Dass ihm neben Dano Haider (Gitarre), Thomas Bauser (Hammond B3) und Jörg Eckel (Drums) sogar ein prominenter Zeitgenosse aus der aktuellen New Yorker Szene unter die Arme greift, wertet der Tenorsaxofonist dafür, „wie Vergangenheit und Gegenwart dort in den Kreativprozess einfließen.“ Auf Alex Sipiagin, den russischstämmigen Trompeter, stieß Hagenlocher über die CDs des Labels Criss Cross, das seit vielen Jahren anderen Surfern zwischen den Extremen wie dem Organisten Sam Yahel oder dem Saxofonisten Seamus Bake ein Sprungbrett bietet. „Alles Musiker in meinem Alter. Wahrscheinlich ist man da reif genug, um zu verstehen, welch großartige Fundamente der Jatt bietet, und noch nicht zu alt, um ein bisschen Risiko zu gehen.“ Ein perfekter Mutmacher für die Midlife-Crisis also.

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